
Auftaktveranstaltung »Warschauer Punk Pakt«:
Szenische Lesung und Geschichtsstunde in Sachen Gegenkultur präsentiert von Brezel Göring. In Anwesenheit des Autors Tim Mohr.
Das Buch zum DDR-Punk »Stirb nicht im Warteraum der Zukunft« erzählt die geheime Geschichte des Underground-Punk in Ostdeutschland, von seinen Anfängen in Ostberlin in den späten Siebziger über seine Rolle beim Fall der Berliner Mauer 1989 und die Entstehung der Clubszene des modernen Berlins. #####
Dieses Buch ist kein Märchen über den revolutionären Siegeszug der westlichen Popkultur über die humorlosen, schlecht angezogenen Bürokraten aus dem Osten, die die Jugend daran hindern wollte, Spaß zu haben. Der apolitische Nihilismus der Ost-Punks entwickelte sich schnell zu einer Hardcore-Ideologie, die sich auf ihre besonderen Lebensumstände bezog. Während die Punks im Westen darüber sangen »no future« zu haben, vom Kapitalismus an den Rand der Gesellschaft gedrängt zu werden, war die Lage im Osten genau umgekehrt: Deine Zukunft war bereits vorbestimmt, von einer Mitgliedschaft in der FDJ über die Ausbildung bis zu einem Fabrikjob als Teil der Planwirtschaft. Das Problem war nicht »no future«, es war »too much future«. Alles war vorherbestimmt.
Die ehemaligen Aktivisten der frühen ostdeutschen Punkszene leben heute ziemlich abgeschottet und stehen Fremden eher misstrauisch gegenüber. Tim Mohr traf viele der zentralen Akteure von damals, als er in den 1990ern in Berlin als DJ tätig war. Damals wurden viele Clubs von ehemaligen Punks betrieben. Fasziniert von ihren unglaublichen Geschichten, setzte er sich in den Kopf, diese Geschichte eines Tages ans Tageslicht zu bringen. Viele der Protagonisten des Ost-Punk haben nie öffentlich über ihre Erlebnisse gesprochen. Mohr hat etwa 50 dieser Zeitzeugen interviewt. Ihre Geschichten bilden die Grundlage für ein atemberaubendes historisches Gesellschaftsdrama. Darüber hinaus studierte Mohr zahlreiche Stasi-Akten, die mit der Punkszene zu tun hatten und bekam auch Einblicke in persönliche Akten.
Tim Mohr
Tim Mohr ist ein amerikanischer Autor, Journalist und Übersetzer. In den 1990er-Jahren lebte er in Berlin als Club-DJ, bevor er nach New York zog und für den Playboy arbeitete. Dort war er unter anderem für Hunter S. Thompson zuständig, mit dem er bis zu dessen Tod arbeitete. Seine journalistischen Artikel erschienen bis dato u. a. in der New York Times, dem New York Magazine, Time Out oder der Huffington Post. Zu seinen Übersetzungen aus dem Deutschen ins Englische zählen Wolfgang Herrndorfs Tschick, Charlotte Roches Feuchtgebiete, vier Romane von Alina Bronsky und Dorothea Dieckmanns Guantanamo, die mehrfach ausgezeichnet wurden. Als Ghostwriter hat Tim Mohr u. a. die Memoiren Duff McKagan (Guns N’ Roses), Gil Scott-Heron und Paul Stanley (Kiss) verfasst.
Brezel Göring
Brezel Göring gründete Anfang der 90er Jahre zusammen mit Françoise Cactus die Band Stereo Total, die seitdem zahlreiche Platten veröffentlicht und an den entlegensten Orten der Welt getourt ist. Neben diversen musikalischen Nebenprojekten veröffentlichte Brezel Göring 2012 seine Sammlung von Schülertheaterstücken unter dem Namen »Unbehagen in der Mittelstufe« beim Martin-Schmitz-Verlag, das enthält leicht nachspielbare und erheiternde Dialog-Miniaturen über Politikerentführungen, Alkoholismus oder Inzest enthält. Außerdem betreibt er das Underground Plattenlabel »Verboten in Deutschland« und produzierte in den vergangenen Jahren unzählige junge Punkbands (wie z. B. Pisse oder P.U.F.F.).
Die Lesung ist die Auftaktveranstaltung des halbjährigen Projektes: »Warschauer Punk Pakt«:
Eine Ausstellung, mehrere Diskussionen, Filme, Konzerte und Veröffentlichungen werden die Verhältnisse von Punk zu Diktatur sowie zur Kunst in der DDR beleuchten und erstmals mit denen in Ungarn, Polen und der CSSR vergleichen.
Mehr Infos: www.nato-leipzig.de/projekte/warschauer-punk-pakt
- Einlass: 19:00 Uhr
- Beginn: 20:00 Uhr
- Eintritt: 8,00 € / 7,00 € (VVK: 7,50 € zzgl. Gebühren)